Der Opferkult
Mit freundlicher Genehmigung vom Morascha Verlag Basel.
Rabbi Dr. Joseph Hermann Hertz
Kommentar zu dem Buch Wajikra
Teil 1
Der Opferkult
Es gibt zwei einfache Erklärungen über den fundamentalen Sinn des Opfers. Die erste hält das Opfer für einen Akt der Huldigung an den himmlischen Herrscher, ein Zeichen der Unterwerfung oder der Dankbarkeit für Seine Gnade; etwa so , wie ein Bittsteller einem irdischen Herrscher seine Ergebenheit und seinen Dank durch Geschenke zum Ausdruck bringt.- Nach der anderen Erklärung entstand das Opfer aus der Sehnsucht des Menschen nach der Aussöhnung mit der Gottheit. Wenn der Betende aus irgend einem Grund fürchtete, die göttliche Gunst verwirkt zu haben, so suchte er das zu sühnen; und durch Hingabe seiner teuersten Güter- seines Erstgeborenen, seines Viehs, seiner Besitztümer- sollte die Versöhnung herbeigeführt werden.
Der Instinkt, der in der Dankbarkeit G-tt gegenüber, der Hingabe an Ihn und besonders im Verlangen nach Versöhnung mit Ihm zum Ausdruck kommt, ist nicht allein auf den primitiven Menschen beschränkt. Die Existenz des Tieropfers als eines seit undenklicher Zeit allgemein verbreiteten Sitte der Menschheit beweist, dass der Ausdruck religiöser Gefühle in dieser Form ein Element der menschlichen Natur und ihm daher von seinem Schöpfer eingepflanzt ist.
Es war die Aufgabe des Monotheismus diese Form der Verehrung zu vergeistigen, sie von Grausamkeiten und unheiligen Bindungen zu befreien und den Opferkult so zu regeln, dass er zu einem Leben der Rechtschaffenheit und der Heiligkeit führte. In den heidnischen semitischen Religionen war der Opferkult grausam und forderte häufig Menschenopfer. Er war obszön- ausschweifende Riten waren ein wesentlicher Bestandteil vieler Arten des Opfers. Er war unsittlich denn «er deckte Verbrechen und bewussten Frevel gegen Mitmenschen. Er widersprach der Vernunft, denn er war erfüllt von Dämonenglauben und Magie.»
In absolutem Gegensatz zu diesem entwürdigenden Heidentum verbannt die Torah alles Grausame, Niedrige und Unheilige aus dem Opferkult. Überdies wird die Sphäre seiner Wirksamkeit genau begrenzt; und mit wenigen einzeln angeführten Ausnahmen sühnt das Opfer nur unwissentlich begangene Sünden, sofern kein menschliches Wesen darunter leidet; d.h. wenn die Wiedergutmachung dem Opfer vorangeht. Ein bewusster moralischer Fehltritt kann durch ein Opfer nicht ausgelöscht werden. Er muss durch das Gesetz bestraft werden oder durch Reue Vergebung erlangen; und es gibt für das Individuum keinen anderen Weg zur Entsühnung.
Teil 2
Sind die Propheten gegen das Opfer?
Ein weit verbreitetes Missverständnis besteht hinsichtlich der Haltung der Propheten gegenüber dem Opferkult; sie wird oft als kompromisslos feindlich hingestellt. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Die Propheten versuchen die äusseren Formen der Religion nicht zu ändern oder gar abzuschaffen. Sie sind nicht so unvernünftig zu verlangen, dass die Menschen ohne Hilfsmittel äusserer Symbolik ihren Gottesdienst abhalten sollen. Wogegen sie sich wandten, war die verhängnisvolle Tendenz, in diesen äusseren Symbolen die ganze Religion zu sehen; war die abergläubische Überschätzung des Opfers verglichen mit Gerechtigkeit, Erbarmen und Reinheit, und vor allem die ungeheuerliche Gottlosigkeit, von der die Opferdarbietung oft begleitet war.
So brandmarkt Amos das Volk wegen seiner Grausamkeit und Unmoral und warnt es, solange es auf solchen Wegen wandle, auch vervielfachte Opfer G-ttes drohendes Gericht nicht abwenden würden « Ich hasse, verwerfe eure Feste und mag nicht riechen in euren Festversammlungen. Wenn ihr Mir auch Ganzopfer bringt, so nehme Ich eure Speiseopfer nicht gnädig auf, und das Mahlopfer eurer Masttiere sehe Ich nicht an. Schaffe fort von Mir das Gesumme deiner Lieder, und das Gespiel deiner Psalter will Ich nicht hören. Aber es wälze sich wie ein Strom das Recht einher, und die Gerechtigkeit wie ein gewaltiger Bach.» (Amos 5,21-24) G-tt wäre nicht der G-tt der Heiligkeit, wenn Er die Opfer, Hymnen und Preisgesänge unheiliger und ehrloser Anbeter nicht «hasste» und «verwürfe». Doch finden wir keine Andeutung, dass Opfer, Gebet und Lobpreisung auch dann «verhasst» wären, wenn sie von ihren schlechten und grausamen Handlungen ablassen würden. (…)
Auch Jesaja erklärt selbst das vollkommenste Ritual für wertlos und blasphemisch, wenn es nicht von rechtschaffenen Handeln begleitet ist. In seiner ersten Anklage gegen das damalige Israel ruft er aus: «Weh, sündiges Volk, schuldbeladene Nation…
«Wozu Mir die Menge eurer Opfer? Spricht der Ewige. Ich bin satt der Ganzopfer von Widdern und des Fettes der Masttiere. So ihr kommt zu erscheinen vor Meinem Angesichte, wer verlangt solches von eurer Hand, zu zertreten Meine Höfe? Bringt nicht mehr Gaben der Lüge, Räucherwerk des Greuels ist Mir das; verkündet nicht mehr an Neumond und Shabbat Berufung, Ich dulde nicht Untat und Festversammlung. (…) Schaffet fort eure bösen Taten aus Meinen Augen, lasset ab zu freveln. Lernet Gutes Tun, trachtet nach Recht, befriedigt, dem Gewalt geschehen, sprechet Recht der Waise, führet den Streit der Witwe.»
(Jesaja 4,11-17)
Wenn dies als absolute Verdammung allen Opferdienstes durch Jesaja zu verstehen ist, dann würde diese Verdammung auch Shabbate und Festtage, feierliche Versammlungen, d.h. alle öffentlichen Zusammenkünfte zum Zweck des Gottesdienstes und das Erscheinen vor G-tt im Tempel mit einschliessen: Denn all das hat der Prophet mit dem «Blut der Farren» und dem «Fett der Masttiere» in eine Reihe gestellt. Aber auch für Jesaja waren natürlich Gebete, Shabbate, Festversammlungen und der Tempeldienst adelige und geheiligte Institutionen, unentbehrlich für das religiöse Leben; und nur ihr unerhörter Missbrauch war es, den er verdammte. Des Propheten Ruf lautete nicht: Gebet eure Opfer auf, sondern: lasset ab von eurem frevlen Tun.
(…) Die Propheten waren Redner und bedienten sich gelegentlich der Übertreibung, um in ihren Zuhörern ein lebendiges Bewusstsein der Wahrheit wachzurufen, die diese Zuhörer missachteten. Und wenn ihnen der verderbliche Glaube entgegentrat, dass G-tt nichts verlange als Opfer, wenn sie sahen, dass diese Opfer dazu dienten, Ungerechtigkeit, Herzlosigkeit und Unreinheit zu entschuldigen- dann gaben sie ihrer brennenden Empörung in der leidenschaftlichen Sprache einer starken Gemütsbewegung Ausdruck.
Die Lehre, die die Propheten der Seele Israels einzuprägen sich mühten, ist niemals vergessen worden. Sie wird von den heiligen Sängern, denen wir das Psalmenbuch «das Hymnenbuch des zweiten Tempels» verdanken, wiederholt; ebenso von den Weisen, die lehren, dass «das Mahlopfer der Frevler dem Ewigen ein Greuel ist», dass Opferspenden, die vom Gute der Armen erpresst sind, dem Morde gleichen und schliesslich von den Rabbinen, die erklären, dass Gehorsam gegen G-tt und Liebe zu den Menschen grösser sind als Opfer.Shabbate und Festtage, feierliche Versammlungen, d.h. alle öffentlichen Zusammenkünfte zum Zweck des Gottesdienstes und das Erscheinen vor G-tt im Tempel mit einschliessen: Denn all das hat der Prophet mit dem «Blut der Farren» und dem «Fett der Masttiere» in eine Reihe gestellt. Aber auch für Jesaja waren natürlich Gebete, Shabbate, Festversammlungen und der Tempeldienst adelige und geheiligte Institutionen, unentbehrlich für das religiöse Leben; und nur ihr unerhörter Missbrauch war es, den er verdammte. Des Propheten Ruf lautete nicht: Gebet eure Opfer auf, sondern: lasset ab von eurem frevlen Tun.
(…) Die Propheten waren Redner und bedienten sich gelegentlich der Übertreibung, um in ihren Zuhörern ein lebendiges Bewusstsein der Wahrheit wachzurufen, die diese Zuhörer missachteten. Und wenn ihnen der verderbliche Glaube entgegen trat, dass G-tt nichts verlange als Opfer, wenn sie sahen, dass diese Opfer dazu dienten, Ungerechtigkeit, Herzlosigkeit und Unreinheit zu entschuldigen- dann gaben sie ihrer brennenden Empörung in der leidenschaftlichen Sprache einer starken Gemütsbewegung Ausdruck. Die Lehre, die die Propheten der Seele Israels einzuprägen sich mühten, ist niemals vergessen worden. Sie wird von den heiligen Sängern, denen wir das Psalmenbuch «das Hymnenbuch des zweiten Tempels» verdanken, wiederholt; ebenso von den Weisen, die lehren, dass «das Mahlopfer der Frevler dem Ewigen ein Greuel ist», dass Opferspenden, die vom Gute der Armen erpresst sind, dem Morde gleichen und schliesslich von den Rabbinen, die erklären, dass Gehorsam gegen G-tt und Liebe zu den Menschen grösser sind als Opfer.
Teil 3
Die Rabbinen und der Opferkult
Für die Rabbinen bedeutet die Institution des Opfers ein Zeichen der Göttlichen Liebe zu Israel. Ihr Zweck ist es, Frieden in die Welt zu bringen.Nichtsdestoweniger ist der Opferkult für sie nicht von überragender Bedeutung, sondern er ist der Kenntnis und dem Studium der Torah, dem Gebet und der Ausübung guter Taten gleichgesetzt. Den Einzelheiten der Opferhandlungen unterlegen sie einen symbolischen Sinn und leiten daraus tiefe ethische und geistliche Lehren ab. In ähnlicher Weise lehrte auch Philo, dass «uns die Vollkommenheit der Opfer darauf hinweist, dass der Spender selbst untadelig sein soll; dass die Israeliten niemals mit schwacher oder von sündigen Leidenschaften aufgewühlter Seele vor den Altar treten, sondern danach streben sollen, diese von allen Schlacken zu läutern, damit G-tt nicht in Abscheu sich abwende von ihrem Anblick.
Denn das Gericht G-ttes ist Bestechungen unzugänglich; es verwirft die Schuldigen, auch wenn sie 100 Ochsen täglich darbringen, und er nimmt den Schuldlosen auf, auch wenn sie keine Opfer bringen. G-tt findet gefallen an feuerlosen Altären,um die die Tugenden ihren Reigen aufführen.» Die Rabbinen verkünden die grundlegende Wichtigkeit, ja nahezu Allmacht der Reue im Seelenleben des Menschen. «Die Menschen haben die Weisheit gefragt, ‹Wenn ein Mensch sündigt,was soll seine Strafe sein?› Die Weisheit antwortete, ‹Das üble verfolge den Übeltäter.› Da fragten die Menschen die Prophetie, die Torah und G-tt: ‹Wenn ein Mensch sündigt, was soll seine Strafe sein?› Die Prophetie antwortete, ‹Die Seele, die sündigt, sie soll sterben.›, die Torah antwortete:› Er bringe ein ein Schuldopfer, und seine Sünde wird ihm vergeben werden.›, G-tt antwortete:› Er bereue, und es wird ihm vergeben werden.›
Von da an wird die Reue zur einzigen Bedingung aller Sühne und aller Göttlichen Sündenvergebung. ‹Weder das Sühn- noch das Sündopfer , noch der Versöhnungstag sind von Nutzen, wenn nicht die Reue sie begleitet.› So traten mit dem Aufhören der Opfer Torahstudium, Gebet und Wohltätigkeit endgültig an die Stelle des Tempeldienstes.Dem ist es zuzuschreiben, dass der Untergang des Tempels das Judentum in keiner Weise gelähmt hat. Als der Tempel fiel, blieb doch die Synagoge, mit der Vorlesung und Ausdeutung der Torah und dem Gemeindegottesdienst, ohne Priester und ohne Opferritual. Den Tempel gab es nur in Jerusalem, aber die Synagoge in jedem Dorf,als sichtbares Zeichen der jüdischen Religion Tag für Tag und Woche für Woche. ‹Der Tempel war der Altar, die Synagoge der Herd, aber das heilige Feuer brannte auf beiden. Mit dem Fall des Tempels wurde das Feuer auf dem Altar erlöscht, ausgetreten durch des Eroberers Ferse, aber auf dem Herde glühte es weiter …,
In seiner ganzen langen Geschichte hat das jüdische Volk kaum etwas Wunderbareres vollbracht als die Schaffung der Synagoge. Keine menschliche Institution hat eine längere, ununterbrochene Geschichte und keine hat mehr für die Hebung des Menschengeschlechts geleistet.› (Herford)
Teil 4
Jüdische Interpretationen des Opfers
Das rabbinische Judentum hat die Opfergesetze akzeptiert, ohne eine befriedigende Erklärung für jede Einzelheit finden zu wollen. «Die Opferinstitutionen waren ein integrierter Bestandteil der offenbarten Religion und hatten die Verbindlichkeit geschriebener Gesetze. Die Frage warum der Göttliche Gesetzgeber so und nicht anders bestimmt hatte, war von keiner praktischen Bedeutung. Es genügte, dass Er Israel ihre Beobachtung anbefohlen hatte.» (Moore)
Manchmal nahmen die Rabbinen Zuflucht zur Symbolik, wenn auch in weit geringerem Ausmasse als Philo. Ihre Einstellung zum Opfer ist auch die des Hauptteiles der Juden aller Generationen geblieben und hat im Mittelalter in den Schriften Juda Halevis, in der Neuzeit in denen von S. R. Hirsch und D. Hoffmann beredten Ausdruck gefunden. Letzterer sieht in den Opfern der Dankbarkeit des Menschen gegen G-tt und seiner Abhängigkeit von Ihm, der unbeschränkten Ergebenheit, die der Mensch G-tt schuldet, sowie des menschlichen Vertrauens in Ihn.
(…) die rationalistische Ansicht vom Opfer, wie sie von Maimonides und Abarbanel vertreten wird : Nach Maimonides waren die Vorschriften des Opferkultes den Vorstellungen eines primitiven Volkes angepasst und hatten den Zweck, es von den tiefstehenden religiösen Riten seiner götzendienerischen Nachbarn abzuhalten. Daher die Beschränkung des Opfers auf eine Örtlichkeit, wodurch G-tt diese besondere Art des Dienstes in Grenzen hielt. So sollte Israel auf einem Umwege langsam und allmählich zur Erfassung der höchsten Stufe des Dienstes, der geistigen, emporgehoben werden.
Eine Stütze für Maimonides Ansicht findet Arbabanel in einer treffenden Parabel von Rabbi Levi, die im Midrasch verzeichnet ist. ‹Ein König bemerkte einst, dass sein Sohn Fleisch von Tieren zu essen pflegte, die von selbst gestorben oder von Raubtieren zerrissen worden waren. Da sprach der König: « Möge er ständig an meiner Tafel speisen, damit er von dieser unanständigen Gewohnheit lasse.» So war es auch mit den Israeliten, die zum ägyptischen Götzendienst herabgesunken waren und sich gewöhnt hatten, auf den Anhöhen den Dämonen Opfer zu bringen; und die Strafe kam über sie.
Darum sagte der Heilige, gelobt sei Er,: ‹Mögen sie ihre Opfer allzeit vor Mir im Stiftszelt räuchern, auf dass sie gerettet werden.›
Ungeachtet dieser Ansichten haben die Rabbinen und Denker wie Maimonides und Arbabanel nie aufgehört, einer Wiedereinführung des Opferkultes in messianischer Zeit entgegenzusehen. Die Rabbinen jedoch hofften, dass mit dem Fortschritt der Zeit die Menschheit eine höhere Stufe erreichen und damit die Notwendigkeit von Sühnopfern nicht mehr bestehen würde. Nur das Gefühl der Dankbarkeit für G-tt wird bleiben: «In der messianischen Ära werden alle Opfer aufhören ausser dem Dankopfer, das dauern wird für ewige Zeiten», sagt der Midrasch.
Kommentar zu dem Buch Wajikra
Teil 1
Der Opferkult
Es gibt zwei einfache Erklärungen über den fundamentalen Sinn des Opfers. Die erste hält das Opfer für einen Akt der Huldigung an den himmlischen Herrscher, ein Zeichen der Unterwerfung oder der Dankbarkeit für Seine Gnade; etwa so , wie ein Bittsteller einem irdischen Herrscher seine Ergebenheit und seinen Dank durch Geschenke zum Ausdruck bringt.- Nach der anderen Erklärung entstand das Opfer aus der Sehnsucht des Menschen nach der Aussöhnung mit der Gottheit. Wenn der Betende aus irgend einem Grund fürchtete, die göttliche Gunst verwirkt zu haben, so suchte er das zu sühnen; und durch Hingabe seiner teuersten Güter- seines Erstgeborenen, seines Viehs, seiner Besitztümer- sollte die Versöhnung herbeigeführt werden.
Der Instinkt, der in der Dankbarkeit G-tt gegenüber, der Hingabe an Ihn und besonders im Verlangen nach Versöhnung mit Ihm zum Ausdruck kommt, ist nicht allein auf den primitiven Menschen beschränkt. Die Existenz des Tieropfers als eines seit undenklicher Zeit allgemein verbreiteten Sitte der Menschheit beweist, dass der Ausdruck religiöser Gefühle in dieser Form ein Element der menschlichen Natur und ihm daher von seinem Schöpfer eingepflanzt ist.
Es war die Aufgabe des Monotheismus diese Form der Verehrung zu vergeistigen, sie von Grausamkeiten und unheiligen Bindungen zu befreien und den Opferkult so zu regeln, dass er zu einem Leben der Rechtschaffenheit und der Heiligkeit führte. In den heidnischen semitischen Religionen war der Opferkult grausam und forderte häufig Menschenopfer. Er war obszön- ausschweifende Riten waren ein wesentlicher Bestandteil vieler Arten des Opfers. Er war unsittlich denn «er deckte Verbrechen und bewussten Frevel gegen Mitmenschen. Er widersprach der Vernunft, denn er war erfüllt von Dämonenglauben und Magie.»
In absolutem Gegensatz zu diesem entwürdigenden Heidentum verbannt die Torah alles Grausame, Niedrige und Unheilige aus dem Opferkult. Überdies wird die Sphäre seiner Wirksamkeit genau begrenzt; und mit wenigen einzeln angeführten Ausnahmen sühnt das Opfer nur unwissentlich begangene Sünden, sofern kein menschliches Wesen darunter leidet; d.h. wenn die Wiedergutmachung dem Opfer vorangeht. Ein bewusster moralischer Fehltritt kann durch ein Opfer nicht ausgelöscht werden. Er muss durch das Gesetz bestraft werden oder durch Reue Vergebung erlangen; und es gibt für das Individuum keinen anderen Weg zur Entsühnung.
Teil 2
Sind die Propheten gegen das Opfer?
Ein weit verbreitetes Missverständnis besteht hinsichtlich der Haltung der Propheten gegenüber dem Opferkult; sie wird oft als kompromisslos feindlich hingestellt. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Die Propheten versuchen die äusseren Formen der Religion nicht zu ändern oder gar abzuschaffen. Sie sind nicht so unvernünftig zu verlangen, dass die Menschen ohne Hilfsmittel äusserer Symbolik ihren Gottesdienst abhalten sollen. Wogegen sie sich wandten, war die verhängnisvolle Tendenz, in diesen äusseren Symbolen die ganze Religion zu sehen; war die abergläubische Überschätzung des Opfers verglichen mit Gerechtigkeit, Erbarmen und Reinheit, und vor allem die ungeheuerliche Gottlosigkeit, von der die Opferdarbietung oft begleitet war.
So brandmarkt Amos das Volk wegen seiner Grausamkeit und Unmoral und warnt es, solange es auf solchen Wegen wandle, auch vervielfachte Opfer G-ttes drohendes Gericht nicht abwenden würden « Ich hasse, verwerfe eure Feste und mag nicht riechen in euren Festversammlungen. Wenn ihr Mir auch Ganzopfer bringt, so nehme Ich eure Speiseopfer nicht gnädig auf, und das Mahlopfer eurer Masttiere sehe Ich nicht an. Schaffe fort von Mir das Gesumme deiner Lieder, und das Gespiel deiner Psalter will Ich nicht hören. Aber es wälze sich wie ein Strom das Recht einher, und die Gerechtigkeit wie ein gewaltiger Bach.» (Amos 5,21-24) G-tt wäre nicht der G-tt der Heiligkeit, wenn Er die Opfer, Hymnen und Preisgesänge unheiliger und ehrloser Anbeter nicht «hasste» und «verwürfe». Doch finden wir keine Andeutung, dass Opfer, Gebet und Lobpreisung auch dann «verhasst» wären, wenn sie von ihren schlechten und grausamen Handlungen ablassen würden. (…)
Auch Jesaja erklärt selbst das vollkommenste Ritual für wertlos und blasphemisch, wenn es nicht von rechtschaffenen Handeln begleitet ist. In seiner ersten Anklage gegen das damalige Israel ruft er aus: «Weh, sündiges Volk, schuldbeladene Nation…
«Wozu Mir die Menge eurer Opfer? Spricht der Ewige. Ich bin satt der Ganzopfer von Widdern und des Fettes der Masttiere. So ihr kommt zu erscheinen vor Meinem Angesichte, wer verlangt solches von eurer Hand, zu zertreten Meine Höfe? Bringt nicht mehr Gaben der Lüge, Räucherwerk des Greuels ist Mir das; verkündet nicht mehr an Neumond und Shabbat Berufung, Ich dulde nicht Untat und Festversammlung. (…) Schaffet fort eure bösen Taten aus Meinen Augen, lasset ab zu freveln. Lernet Gutes Tun, trachtet nach Recht, befriedigt, dem Gewalt geschehen, sprechet Recht der Waise, führet den Streit der Witwe.»
(Jesaja 4,11-17)
Wenn dies als absolute Verdammung allen Opferdienstes durch Jesaja zu verstehen ist, dann würde diese Verdammung auch Shabbate und Festtage, feierliche Versammlungen, d.h. alle öffentlichen Zusammenkünfte zum Zweck des Gottesdienstes und das Erscheinen vor G-tt im Tempel mit einschliessen: Denn all das hat der Prophet mit dem «Blut der Farren» und dem «Fett der Masttiere» in eine Reihe gestellt. Aber auch für Jesaja waren natürlich Gebete, Shabbate, Festversammlungen und der Tempeldienst adelige und geheiligte Institutionen, unentbehrlich für das religiöse Leben; und nur ihr unerhörter Missbrauch war es, den er verdammte. Des Propheten Ruf lautete nicht: Gebet eure Opfer auf, sondern: lasset ab von eurem frevlen Tun.
(…) Die Propheten waren Redner und bedienten sich gelegentlich der Übertreibung, um in ihren Zuhörern ein lebendiges Bewusstsein der Wahrheit wachzurufen, die diese Zuhörer missachteten. Und wenn ihnen der verderbliche Glaube entgegentrat, dass G-tt nichts verlange als Opfer, wenn sie sahen, dass diese Opfer dazu dienten, Ungerechtigkeit, Herzlosigkeit und Unreinheit zu entschuldigen- dann gaben sie ihrer brennenden Empörung in der leidenschaftlichen Sprache einer starken Gemütsbewegung Ausdruck.
Die Lehre, die die Propheten der Seele Israels einzuprägen sich mühten, ist niemals vergessen worden. Sie wird von den heiligen Sängern, denen wir das Psalmenbuch «das Hymnenbuch des zweiten Tempels» verdanken, wiederholt; ebenso von den Weisen, die lehren, dass «das Mahlopfer der Frevler dem Ewigen ein Greuel ist», dass Opferspenden, die vom Gute der Armen erpresst sind, dem Morde gleichen und schliesslich von den Rabbinen, die erklären, dass Gehorsam gegen G-tt und Liebe zu den Menschen grösser sind als Opfer.Shabbate und Festtage, feierliche Versammlungen, d.h. alle öffentlichen Zusammenkünfte zum Zweck des Gottesdienstes und das Erscheinen vor G-tt im Tempel mit einschliessen: Denn all das hat der Prophet mit dem «Blut der Farren» und dem «Fett der Masttiere» in eine Reihe gestellt. Aber auch für Jesaja waren natürlich Gebete, Shabbate, Festversammlungen und der Tempeldienst adelige und geheiligte Institutionen, unentbehrlich für das religiöse Leben; und nur ihr unerhörter Missbrauch war es, den er verdammte. Des Propheten Ruf lautete nicht: Gebet eure Opfer auf, sondern: lasset ab von eurem frevlen Tun.
(…) Die Propheten waren Redner und bedienten sich gelegentlich der Übertreibung, um in ihren Zuhörern ein lebendiges Bewusstsein der Wahrheit wachzurufen, die diese Zuhörer missachteten. Und wenn ihnen der verderbliche Glaube entgegen trat, dass G-tt nichts verlange als Opfer, wenn sie sahen, dass diese Opfer dazu dienten, Ungerechtigkeit, Herzlosigkeit und Unreinheit zu entschuldigen- dann gaben sie ihrer brennenden Empörung in der leidenschaftlichen Sprache einer starken Gemütsbewegung Ausdruck. Die Lehre, die die Propheten der Seele Israels einzuprägen sich mühten, ist niemals vergessen worden. Sie wird von den heiligen Sängern, denen wir das Psalmenbuch «das Hymnenbuch des zweiten Tempels» verdanken, wiederholt; ebenso von den Weisen, die lehren, dass «das Mahlopfer der Frevler dem Ewigen ein Greuel ist», dass Opferspenden, die vom Gute der Armen erpresst sind, dem Morde gleichen und schliesslich von den Rabbinen, die erklären, dass Gehorsam gegen G-tt und Liebe zu den Menschen grösser sind als Opfer.
Teil 3
Die Rabbinen und der Opferkult
Für die Rabbinen bedeutet die Institution des Opfers ein Zeichen der Göttlichen Liebe zu Israel. Ihr Zweck ist es, Frieden in die Welt zu bringen.Nichtsdestoweniger ist der Opferkult für sie nicht von überragender Bedeutung, sondern er ist der Kenntnis und dem Studium der Torah, dem Gebet und der Ausübung guter Taten gleichgesetzt. Den Einzelheiten der Opferhandlungen unterlegen sie einen symbolischen Sinn und leiten daraus tiefe ethische und geistliche Lehren ab. In ähnlicher Weise lehrte auch Philo, dass «uns die Vollkommenheit der Opfer darauf hinweist, dass der Spender selbst untadelig sein soll; dass die Israeliten niemals mit schwacher oder von sündigen Leidenschaften aufgewühlter Seele vor den Altar treten, sondern danach streben sollen, diese von allen Schlacken zu läutern, damit G-tt nicht in Abscheu sich abwende von ihrem Anblick.
Denn das Gericht G-ttes ist Bestechungen unzugänglich; es verwirft die Schuldigen, auch wenn sie 100 Ochsen täglich darbringen, und er nimmt den Schuldlosen auf, auch wenn sie keine Opfer bringen. G-tt findet gefallen an feuerlosen Altären,um die die Tugenden ihren Reigen aufführen.» Die Rabbinen verkünden die grundlegende Wichtigkeit, ja nahezu Allmacht der Reue im Seelenleben des Menschen. «Die Menschen haben die Weisheit gefragt, ‹Wenn ein Mensch sündigt,was soll seine Strafe sein?› Die Weisheit antwortete, ‹Das üble verfolge den Übeltäter.› Da fragten die Menschen die Prophetie, die Torah und G-tt: ‹Wenn ein Mensch sündigt, was soll seine Strafe sein?› Die Prophetie antwortete, ‹Die Seele, die sündigt, sie soll sterben.›, die Torah antwortete:› Er bringe ein ein Schuldopfer, und seine Sünde wird ihm vergeben werden.›, G-tt antwortete:› Er bereue, und es wird ihm vergeben werden.›
Von da an wird die Reue zur einzigen Bedingung aller Sühne und aller Göttlichen Sündenvergebung. ‹Weder das Sühn- noch das Sündopfer , noch der Versöhnungstag sind von Nutzen, wenn nicht die Reue sie begleitet.› So traten mit dem Aufhören der Opfer Torahstudium, Gebet und Wohltätigkeit endgültig an die Stelle des Tempeldienstes.Dem ist es zuzuschreiben, dass der Untergang des Tempels das Judentum in keiner Weise gelähmt hat. Als der Tempel fiel, blieb doch die Synagoge, mit der Vorlesung und Ausdeutung der Torah und dem Gemeindegottesdienst, ohne Priester und ohne Opferritual. Den Tempel gab es nur in Jerusalem, aber die Synagoge in jedem Dorf,als sichtbares Zeichen der jüdischen Religion Tag für Tag und Woche für Woche. ‹Der Tempel war der Altar, die Synagoge der Herd, aber das heilige Feuer brannte auf beiden. Mit dem Fall des Tempels wurde das Feuer auf dem Altar erlöscht, ausgetreten durch des Eroberers Ferse, aber auf dem Herde glühte es weiter …,
In seiner ganzen langen Geschichte hat das jüdische Volk kaum etwas Wunderbareres vollbracht als die Schaffung der Synagoge. Keine menschliche Institution hat eine längere, ununterbrochene Geschichte und keine hat mehr für die Hebung des Menschengeschlechts geleistet.› (Herford)
Teil 4
Jüdische Interpretationen des Opfers
Das rabbinische Judentum hat die Opfergesetze akzeptiert, ohne eine befriedigende Erklärung für jede Einzelheit finden zu wollen. «Die Opferinstitutionen waren ein integrierter Bestandteil der offenbarten Religion und hatten die Verbindlichkeit geschriebener Gesetze. Die Frage warum der Göttliche Gesetzgeber so und nicht anders bestimmt hatte, war von keiner praktischen Bedeutung. Es genügte, dass Er Israel ihre Beobachtung anbefohlen hatte.» (Moore)
Manchmal nahmen die Rabbinen Zuflucht zur Symbolik, wenn auch in weit geringerem Ausmasse als Philo. Ihre Einstellung zum Opfer ist auch die des Hauptteiles der Juden aller Generationen geblieben und hat im Mittelalter in den Schriften Juda Halevis, in der Neuzeit in denen von S. R. Hirsch und D. Hoffmann beredten Ausdruck gefunden. Letzterer sieht in den Opfern der Dankbarkeit des Menschen gegen G-tt und seiner Abhängigkeit von Ihm, der unbeschränkten Ergebenheit, die der Mensch G-tt schuldet, sowie des menschlichen Vertrauens in Ihn.
(…) die rationalistische Ansicht vom Opfer, wie sie von Maimonides und Abarbanel vertreten wird : Nach Maimonides waren die Vorschriften des Opferkultes den Vorstellungen eines primitiven Volkes angepasst und hatten den Zweck, es von den tiefstehenden religiösen Riten seiner götzendienerischen Nachbarn abzuhalten. Daher die Beschränkung des Opfers auf eine Örtlichkeit, wodurch G-tt diese besondere Art des Dienstes in Grenzen hielt. So sollte Israel auf einem Umwege langsam und allmählich zur Erfassung der höchsten Stufe des Dienstes, der geistigen, emporgehoben werden.
Eine Stütze für Maimonides Ansicht findet Arbabanel in einer treffenden Parabel von Rabbi Levi, die im Midrasch verzeichnet ist. ‹Ein König bemerkte einst, dass sein Sohn Fleisch von Tieren zu essen pflegte, die von selbst gestorben oder von Raubtieren zerrissen worden waren. Da sprach der König: « Möge er ständig an meiner Tafel speisen, damit er von dieser unanständigen Gewohnheit lasse.» So war es auch mit den Israeliten, die zum ägyptischen Götzendienst herabgesunken waren und sich gewöhnt hatten, auf den Anhöhen den Dämonen Opfer zu bringen; und die Strafe kam über sie.
Darum sagte der Heilige, gelobt sei Er,: ‹Mögen sie ihre Opfer allzeit vor Mir im Stiftszelt räuchern, auf dass sie gerettet werden.›
Ungeachtet dieser Ansichten haben die Rabbinen und Denker wie Maimonides und Arbabanel nie aufgehört, einer Wiedereinführung des Opferkultes in messianischer Zeit entgegenzusehen. Die Rabbinen jedoch hofften, dass mit dem Fortschritt der Zeit die Menschheit eine höhere Stufe erreichen und damit die Notwendigkeit von Sühnopfern nicht mehr bestehen würde. Nur das Gefühl der Dankbarkeit für G-tt wird bleiben: «In der messianischen Ära werden alle Opfer aufhören ausser dem Dankopfer, das dauern wird für ewige Zeiten», sagt der Midrasch.